Künstlerin – Kuratorin – Galeristin
„Das Probieren mit dem Wort, mit dem Bild, auch wenn es misslingt … auch der Versuch mit Tönen und einer Melodie … der Wunsch, das Unerreichbare herauszufordern.“ Dies sind die Schlussworte im Katalog: ich möchte ergänzen: das Unerreichbare herauszufinden, das will ich mit Ihnen und für Sie, liebe Freunde von Jo Eckhardt, Verehrer der Kunst von Johanna Ems.
Bei einem Lebenswerk einer Künstlerin aus einer Spanne von weit über 50 Jahren, und einer kuratorischen Tätigkeit als Leiterin der Videothek des Neuen Berliner Kunstvereins im alten West-Berlin von fast knapp 40 Jahren sowie als Galeristin nach der sogenannten Wende in Berlin-Weißensee, mitten im ehemaligen Osten, kann ich auf diese drei Felder in der Kürze der Zeit die Leistungen nur andeuten.
Hier und Heute steht im Zentrum das bildkünstlerische, freie, immer aber doch eher im Verborgenen entstandene und zugleich für eine breite Öffentlichkeit eher zurückhaltend präsentierte bildkünstlerische Werk. Und das beginnt zunächst mit der Skulptur, dann immer mehr die Malerei, aber auch in großer Qualität graphische Werke, das heißt Arbeiten auf Papier, mit Papier als Collage, Aquarell, Zeichnung mit kraftvoller Kohle und vieler Art von Mischtechnik – unter Einbeziehung von vorgefundenen Materialien wie Briefmarken, Zeitungs-Ausrissen – manchmal in winzigem Format einer Postkarte oder auch in großen Formen.
Das Wesen sichtbar werden lassen
Nach einem Pädagogik-Studium studiert sie Anfang der 60er Jahre bei Paul Dierkes, sie wird Meisterschülerin bei diesem großartigen Bildhauer, der 1959 sein Meisterstück fertig gestellt: die große halbrunde weiße Wand mit wenigen Mulden und Einkerbungen, die das Licht einfangen und ein großartiges Pendant zu Yves Kleins Blauem Schwamm-Relief in Werner Ruhnaus Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen darstellt. Diese Zartheit, Verletzlichkeit einer fast wie gespannten lebendigen Oberfläche wie einer gespannten Haut – dies finden wir auch in den frühen Holzskulpturen von Johanna Ems. Die Sensibilität von Oberflächenbehandlung, die Konzentration und das Reduzieren der Formen des Gesichtes, der menschlichen Figur, überhaupt das Beharren auf dem Figürlichen, aber in einer modernen, nicht ornamentalen oder geschmäcklerischen Form, sondern in einer Sichtbarmachung der Spannung zwischen dem Inneren Kern und der äußeren Haut als gestaltbare Oberfläche, das Wesen sichtbar werden lässt – da kann man wirklich schön die Figuren von Johanna Ems vergleichen mit den Skulpturen von Paul Dierkes.
Die Jahre als Bildhauerin haben den Grund gelegt für das bildnerische Denken und Formen dieser Künstlerin: die kraftvolle Binnenform, die breit gemalte dunkle Kontur, ja auch die flächig gemalte Farbform – all diese künstlerischen Mittel verweisen auf das Gebaute, auf die dreidimensional empfundene Formenwelt. Zentrierte Farbflächen suchen sich kraftvollen Ausgleich, die Kompositionen wirken gebaut, oftmals ausbalancierte Symmetrien – als wenn die dargestellten Objekte stehen müssten – bei aller kraftvollen, lockeren Malweise, bei oftmals organisch sich wölbenden Stein/Erd-Formationen, die ihre Gegenständlichkeit abgelegt zu haben scheinen und nur aus ihrer inneren Spannung sich erhalten. Die gemalten Gesichter erinnern an ihre Vorgänger als Skulpturen: Spannungsvolle Flächen bilden großes Volumen – die Augen sind zarte Höhlungen in den plastischen Skulpturen und werden in den malerischen Arbeiten eher reduziert, minimiert – sie sind geschlossen und erscheinen oftmals nur als zarte Schlitze.
Dunkle Farben, kraftvolles Schwarz überwiegen, Konturen werden in oftmals schwarzen Linienbündeln betont, die Formen stehen im Raum, der Gegenstand scheint erkennbar und ist doch ein eigenständiges Bild geworden: aus dem Dunkel glühen kleinere Farbflächen, beschreiben Wirklichkeit, die mehr eine innere als eine abgebildete äußere ist.
Ein Wort auch zu den oftmals erstaunlich kleinen Formaten, denen man in den Reproduktionen in dem – übrigens sei dies einmal hier betont – sehr informativen, erfreulich lebendigen, deshalb so sehr empfehlenswerten Katalog nicht ihre Kleinheit ansieht, so monumental sind viele der Kompositionen. Es ist sicher ein Zeichen der Bescheidenheit der Künstlerin, aber zugleich zeugt es von der künstlerischen Kraft und Bildvision.
Unbeirrliche Arbeit für das künstlerische Video-Medium
Ich muss hier aber auch noch über die andere wichtige Facette der Persönlichkeit von Johanna Ems sprechen: In dem im vorigen Jahr erschienen umfangreichen Band „Time Pieces – Videokunst seit 1963“ haben die Herausgeber – der jetzige Leiter des Neuen Berliner Kunstvereins, Marius Babias, sowie die jetzige Leiterin des Video-Forums im n.b.k. Kerstin Becker (zusammen mit Sophie Goltz) einen Text von „Gisela Jo Eckhardt“ aufgenommen – und zwar als ersten nach den Grußworten des Regierenden Bürgermeisters Wowereit und des Leiters der Allianz Kulturstiftung Michael M. Thoss und dem Vorwort! Darin schreibt sie als Leiterin des zunächst Videothek – dann Video-Forum genannten – eigenständigen Institution innerhalb des Kunstvereins über ihr Engagement, das in den 70er Jahren noch wirklich avantgardistisch zu nennen keine Übertreibung ist. Jo Eckhardt – so ihr Name in unserer Museums-Szene – ist von allen Seiten große Hochachtung für ihre konsequente und kontinuierliche, ja unbeirrliche Arbeit für das künstlerische Video-Medium entgegen gebracht worden.
Mehr als ein Vierteljahrhundert lang hat sie bis zu ihrem altersbedingten Ausscheiden 2001 hier der Sache gedient. Anfang der 70er Jahre hatten sich im Neuen Berliner Kunstverein, der 1968 den Verlust vieler Mitglieder und die Neugründung des politisch avancierten (ich sagte das Jahr „1968“!) anderen Kunstvereins (er nannte sich Neue Gesellschaft für bildende Kunst), eine Gruppe von Künstlern, KunsthistorikerInnen sowie KritikerInnen zusammengetan, um Künstlern die Produktion von Videobändern, von Dokumentationen von Happenings und Performances zu ermöglichen – damals war die Technik unbezahlbar. Da waren Berlin und der NBK Spitze in Europa und Jo Eckhardt hat hier hohe Verdienste, indem sie auch die internationalen Gastkünstler des Berliner Künstlerprogramms des DAAD einlud. Wolf Vostell und Wolf Kahlen waren dabei aktiv und hilfreich. Ich zitiere Jo Eckhardt aus ihrem Text in dem besagten n.b.k.-Katalog: “Die Intimität der Videokamera, ihre einfache Handhabung und Unmittelbarkeit übten eine starke Faszination auf KünstlerInnen aus; mit den von Jahr zu Jahr optimierten Geräten erweiterten sich die künstlerischen Möglichkeiten und die Experimentierlust. Zunächst diente die Kamera mehr der Dokumentation von Aktionen, Happenings und Performances“ (S. 23). Sie ermöglichte und unterstützte die Herstellung und den Vertrieb der Werke von Lil Picard, Dieter Appelt, Nan Hoover – aber sie erwarb für die Sammlung auch Werke von Friederike Pezold oder Nan Hoover – nicht ohne Absicht waren auch viele Frauen dabei: auf der einen Seite weil die Videokunst in der Relation mehr Frauen anzog, aber auch weil Jo Eckhardt selbst gern Künstlerinnen unterstützte. Die Berliner Szene, aber auch die sich früh schon dort etablierende osteuropäische Kunstszene wurde in der Sammlung des von Jo Eckhardt geleiteten Video-Forums sichtbar – auch in der Zeit der ersten Hälfte der 80er Jahre, als die Berliner Wilde Malerei des neuen Expressionismus den „Hunger nach Bildern“ (wie Wolfgang Max Faust das etwas reißerisch nannte!) kommerzielle Erfolge auf dem Kunstmarkt erzielte und die Videokunst in den Hintergrund zu drängen schien.
An eine gemeinsame große Tat sei hier auch erinnert. 1989 übernahm Jo Eckhardt – unterstützt von Ulrich Eckhardt und den Berliner Festspielen – meine große retrospektive und aktuelle internationale Überblicks-Ausstellung „Video-Skulptur 1963 – 1988“ aus dem Kölnischen Kunstverein, bevor sie nach Zürich ins Kunsthaus wanderte. Das war für Berlin eine wichtige, mutige Tat und hat meinen großen Respekt, den ich immer schon der Arbeit von Jo Eckhardt gegenüber empfand, in fast eine Freundschaft gesteigert – wenn ich das so sagen darf – und mich mit Freude auch hierhin an den Anfang des Lebens von Johanna Ems geführt.
Wie ein Kunstverein ohne Mitglieder
Ein dritter wichtiger Arbeits-Bereich sei hier auch noch hinzugefügt und zumindest angedeutet: nach dem Ende der Mitarbeit im NBK gründete Jo Eckhardt eine eigene Galerie, man könnte dies eine Produzentengalerie, auch eine Art Kunstverein ohne Mitglieder nennen: und zwar insbesondere für junge malerische Positionen und dann auch im ehemaligen Osten in Weißensee, einem allerdings eher bürgerlichen Stadtteil von ehemals Ost-Berlin – und dies als Kontrast nach der Arbeit für Videokunst im alten West-Teil der Stadt. Die Galerie Abakus zeigte viele Positionen junger Künstler, insbesondere auch Künstlerinnen und Ulrich Eckhardt hat die Arbeit seiner Frau in Erinnerung, in Respekt und als eine Hommage auch nach ihrem Tod weitergeführt.
Die erste große Ausstellung zeigt die vitale Malerei und die künstlerische Konzeption eines Gesamtwerkes. Es belegt auch, dass sie der Verführung mal selbst als Video-Künstlerin zu agieren, widerstanden hat. Sie ist immer weiter bei der Bildenden Kunst, besonders der Malerei, geblieben. In der umfangreichen Retrospektive ist ein großes, breites und doch intimes, zugleich kraftvolles malerisch-zeichnerisches Werk zu erleben – eine lebendige Begegnung mit einer dankenswerter Weise zu entdeckenden Künstlerin.
Wulf Herzogenrath, Eröffnungsrede zur Retrospektive „Lebenslinien“
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