Drei Jahrzehnte Kulturarbeit. Was war? War da was? War ich das? Jedenfalls nicht allein, sondern im Kreise junger, hochmotivierter, gewitzter, kreativer, unerschrockener, neugieriger, engagierter Gleichgesinnter, die ihre jeweiligen Aufgaben mit pädagogischem Impetus und missionarischem Eifer erfüllten. Intendanz ist immer Arbeit in einer Gruppe, die sich auf Debatten versteht, sowie die dichte, zielgerichtete Zusammenarbeit mit zahllosen Kräften, Einrichtungen und Menschen – einbeziehend alle Felder von Kultur und Bildung, von der Basisarbeit kleiner engagierter Gruppen bis zu Höchstleistungen mächtiger Institutionen. …
Auch wo und wann die Berliner Festspiele sich in den Dienst übergreifender, historisch legitimierter politischer Ziele stellten, agierten sie immer streitbar und eigensinnig; sich aktiv ohne Berührungsängste in aktuelle politische Prozesse oder Anliegen einzumischen, gehörte jederzeit zum Grundmuster. Sie waren keine dominierende Vormacht im Berliner Kulturbetrieb, sondern ein luftiges Gebilde aus Vernetzungen ohne festes Dach, aber auf sicherem geistigen Fundament. Bühne und Hallraum war die ganze Stadt. Die Festspiele galten als Projektagentur und wirkten als institutionelle Unruhe durch Einbeziehung freier Initiativen in die Zivilgesellschaft hinein; sie waren für Künstler und freie Kräfte ein aufgeschlossener Auftraggeber; sie verstanden sich als Anstifter zu Neuem, das auf dem Boden der Überlieferung Wissen und Bildung erweitert und Begrenzungen des Denkens überwindet.
Ulrich Eckhardt, aus dem Vorwort zu „Über Mauern geschaut“
Foto oben: Hansgert Lambers