Festspiele in Berlin – ihre kulturpolitische Funktion (2001)
Nach der Befreiung durch die militärische Kapitulation am 8. Mai 1945 war von Berlin nur noch ein „Schutthaufen bei Potsdam“ (Bertolt Brecht) übriggeblieben. Die Stadt war zerstört, eine Ansammlung riesiger Trümmerfelder. Dennoch übte die Stadt auf Zurückkehrende und Zuzügler eine starke Anziehungskraft aus: Existentialismus des Überlebens und Boogie-Woogie aus Amerika. Groß war der Hunger nach Kultur, ihrer Humanität und Herzenswärme, als Instrument der Hoffnung, auch Zerstreuung und Ablenkung vom freudlosen Alltag und Hunger. Bereits ab Mai spielten viele Kinos wieder, und die ersten Lesungen, Konzerte und Theateraufführungen konnten in behelfsmäßigen Räumen stattfinden.
Neben den vielfältigen kulturellen Aktivitäten wurde die bald realisierte politische Teilung zum wesentlichen Antriebsmoment. Die Frontstellung zwischen den Einflußsphären der beiden Weltmächte USA und UdSSR zwang die Stadt in eine Befragung und Behauptung ihrer Identität, in eine geistige Positionsbestimmung (so Friedrich Sieburg, „Die urbanere Stadt“, zum Programm der Berliner Festwochen 1955). Es entstand ein „magnetisches Spannungsfeld zwischen Ost und West“ (Alfred Kantorowicz), das für Jahrzehnte bis zum Ende der DDR und der Wiedervereinigung der Exklave „West-Berlin“ und „Berlin – Hauptstadt der DDR“ zur Antriebskraft der Entwicklung wurde.
Spaltung auch in zwei Kulturen
Auf beiden Seiten tat man sich schwer, die beginnende und mit dem Mauerbau verfestigte Spaltung zu akzeptieren. Die Hoffnung auf spätere Wiederherstellung einer urbanen politischen Einheit wirkte als Motor für Aktivitäten – im Wettbewerb der Systeme, in der Konkurrenz unterschiedlicher Konzepte.
Berlin war mithin in eine neue Phase der Nachkriegsgeschichte eingetreten, die auch kulturelle Prozesse stark beeinflusste. Literatur, Theater, Film, bildende Kunst und Musik sowie künstlerische Ausbildung nahmen unterschiedliche gesellschaftliche Positionen ein – sowohl inhaltlich als auch ästhetisch und methodisch. Die sowjetischen Kulturoffiziere der ersten Stunde erwiesen sich als humanistisch geprägte, hochgebildete und interessierte Kunstkenner, die durch Kulturförderung die schuldig gewordenen, vom Faschismus befreiten und militärisch grausam besiegten Deutschen zu besseren Menschen erziehen und eine friedliebende Gesellschaft herstellen wollten. Aber auch sie waren den kulturpolitischen Doktrinen und Verordnungen des Sowjetstaates unterworfen. So hatte bereits 1948 das ZK der KPdSU „den Werken von Komponisten wie Schostakowitsch und Prokofjew formalistische Verzerrungen und antidemokratische Tendenzen“ vorgeworfen und scharf kritisiert. Offiziell abgelehnt war „die Verbreitung der Atonalität, der Dissonanz und der Disharmonie, die angeblich den ‚Fortschritt’ und eine ‚Erneuerung’ in der Entwicklung der musikalischen Formen darstellen sollten.“ Die „Formalismusdebatte“ wurde auch im sowjetischen Sektor zur lähmenden Belastung für Kulturschaffende; selbst prominente zurückkehrende Emigranten wie Paul Dessau und Hanns Eisler hatten sich westlichen Einflüssen zu verschließen und linientreu zu komponieren.
Parallel dazu begann sich die westliche Avantgarde neuen kompositorischen Techniken zu verschreiben – bewußt jenseits gesellschaftlicher Verantwortung für ästhetische Prozesse. Ähnliche Entwicklungen bestimmten auch die anderen Kunstgattungen auf beiden Seiten. Auf diese Weise forcierten die jeweiligen politischen und kulturpolitischen Umfelder die Spaltung auch in zwei Kulturen – synchron zu den weltpolitischen Vorgängen. Nur einzelne Künstlerpersönlichkeiten in Ost und West stemmten sich nahezu vergeblich gegen diese Teilung nach einer gemeinschaftlich erlebten euphorischen Aufbruchsstimmung unmittelbar nach 1945.
Suche nach einer neuen Identität
Nachdem Ost-Berlin 1949 mit der Gründung der beiden deutschen Staaten offiziell zur „Hauptstadt der DDR“ proklamiert worden war, drohten West-Berlin Funktionsverluste aufgrund der Insellage. Die aus den drei Westsektoren bestehende Halbstadt mußte sich auf die Suche nach einer neuen Identität begeben. Die politischen Kräfte, unterstützt von den drei Besatzungsmächten, begannen programmatisch gezielt mit der staatlichen, kommunalen, gesellschaftlichen und kulturellen Konsolidierung auf allen Gebieten und in allen Bezirken. Zum politischen Konzept in dieser Phase der Berliner Nachkriegsgeschichte gehört ganz exponiert die Gründung der „Internationalen Filmfestspiele“ und der „Berliner Festwochen“ unter dem organisatorischen Dach der Berliner Festspiele (kurze Zeit später als GmbH strukturiert). Maßgeblich durchgesetzt vom damaligen Regierenden Bürgermeister Ernst Reuter, wurden die Festspiele gegründet, „um der Welt des Westens und des Ostens zu zeigen, dass Not und Leid, Trümmer und Bedrängnis nicht vermochten, den ewig lebendigen und sprudelnden Quell zum Versiegen zu bringen, der in Film, Theater, Musik und bildender Kunst den Berlinern einen Teil dessen ausmacht, was ihr Leben schön und liebenswert gemacht hat und machen wird“ (im Vorwort zum ersten Programmbuch 1951).
In den ersten kulturpolitischen Absichtserklärungen zur Festspielgründung wurde offenbar ganz bewußt Abgrenzendes oder Aggressives vermieden; es ging wohl in erster Linie darum, der Stadt aus der Isolation zu verhelfen. Dem Westen wie dem Osten in Europas Mitte sollte der Lebenswille einer amputierten Stadthälfte demonstriert werden: „damit dieses Berlin hinter dem Eisernen Vorhang trotz allem das wieder wird, was es einst war“, so Ernst Reuter 1952. Als „Insel der Freiheit habe die Stadt (West-Berlin) eine kulturelle Mission zu erfüllen – nicht nur gegenüber der freien Welt, sondern in besonderem Maße für unsere Schwestern und Brüder, die in der Sowjetzone und im Ostsektor unserer Stadt leben“ – so der Tenor im Jahre 1954, die Existenz der DDR und ihrer Hauptstadt noch ignorierend.
Gleichwohl setzten die Berliner Festwochen schon früh eigene Zeichen, sich politisch nicht gängeln und für den Kalten Krieg instrumentalisieren zu lassen, sondern die Folgen der Teilung durch Brückenbau zu mildern. Für das Herbstfestival 1955 wurden Anzeigen mit folgendem Text geschaltet (noch konnten sie auch in Ost-Berlin gelesen werde): „Die Berliner Festwochen sind die Repräsentation des Kulturwillens Berlins. Sie dienen der Weltgeltung deutscher Kultur, und deshalb sollen alle Deutschen in gleicher Weise daran teilnehmen können. Der Senat von Berlin hat Vorsorge getroffen, daß zu allen Veranstaltungen ein Anteil an Karten für die Bewohner des Ostmark-Währungsbereiches bis zwei Tage vor der Aufführung bereitgehalten wird.“
Inzwischen hatte der Ost-Berliner Magistrat seinerseits spiegelbildlich die „Berliner Festtage“ ins Leben gerufen – als Manifestation einer repräsentativen Hauptstadtkultur im internationalen Wettbewerb, werbend um Anerkennung der DDR als souveräner Staat.
Vier Elemente waren und blieben bis zum Schluss das Fundament eines thematisch orientierten, das Verstehen und Erleben gleichermaßen vermittelnden Programms:
• Festspiele als primär kulturpolitisch determinierte Institution – möglichst mit einer Vorreiterrolle hinsichtlich historischer Prozesse;
• Festspiele als flexibles, auf Veränderungen rasch reagierendes Instrument künstlerischer Produktion und Distribution;
• Festspiele als legitimes Mittel staatlicher und kommunaler Repräsentation und Identitätsstiftung;
• Festspiele als Akkumulator des internationalen Kreislaufs der Künste.
„Schaufenster des Westens“
Hatte es bis dahin trotz weltpolitischer Teilung noch immer innerhalb der zweigeteilten ehemaligen deutschen Hauptstadt Gelegenheiten des direkten geistigkulturellen Austausches gegeben, so wurde durch die betonierte Grenzziehung, den Bau der – später als Hauptattraktion für Touristen fungierenden – „Berliner Mauer“ am 13. August 1961 schon physisch die Kluft vertieft. Es begann eine weitere Phase der Nachkriegsgeschichte: West-Berlin reagierte auf den erhöhten äußeren Druck und die zunehmende insulare Distanz mit einer kulturpolitischen Offensive: „Schaufenster des Westens“ – Internationalität – Innovation und Experiment – gesellschaftliches Labor – sollten zu Strategien der Grenzüberschreitung werden. Und wiederum war den Berliner Festspielen eine Schlüsselrolle in der beschleunigten Realisierung dieser politischen Paradigmen zugewiesen. Die überregionale kulturelle Ausstrahlung verband sich mit der Förderung des urbanen künstlerischen Lebens, um an der Basis das Entstehen wegweisenden zeitgenössischen Kunstschaffens in gesellschaftlich-politischer Verantwortung zu begünstigen – ein eminent kulturpolitischer Auftrag.
Für West-Berlin sollte eine „Tradition des Nicht- Herkömmlichen“ entwickelt werden. Gleichwohl pflegten die Festspielprogramme weiterhin publikumswirksame festliche Veranstaltungen – insbesondere auf den Feldern der Oper, des großen Schauspiels in Starbesetzung, der klassischen Musik und großer Kunstausstellungen – immer im Bestreben, beides miteinander in eine wechselseitig inspirierende Verbindung zu bringen: das Verstehen mit dem Erleben, Bildung und Aufklärung mit dem „Event“.
Das Festival als Ost-West-Forum
Anfang der siebziger Jahre veränderten sich die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für kulturelle Arbeit erneut – dieses Mal nicht infolge äußeren und Drucks seitens der DDR, sondern in Auswirkung fundamentaler sozialer und politischer Prozesse des Wandels innerhalb der Bundesrepublik. Die 1968 einsetzende Jugendrevolte, der daraus resultierende Generationenkonflikt und die Anfänge einer außerparlamentarischen Opposition stellten alles Bisherige in Frage, verlangten neue Antworten auf grundlegende Fragen gesellschaftlicher Ordnung – auch hinsichtlich der Rolle, der Kompetenz und erhöhten Verantwortlichkeit von Kultur für das Ganze wie für den Einzelnen.
Alle Zeichen standen auf „Reform“ – Bildungsreform, Kulturreform und eine realistischere Gestaltung der Beziehungen zum anderen deutschen Staat. Ein friedliches, spannungsfreies Nebeneinander der beiden deutschen Staaten wurde zum Ziel der neuen Ostpolitik, und die Kultur bot sich naturgemäß als beste Methode für Annäherung und Verständnis für die gegenwärtigen Lage und ihre historischen Wurzeln an. Wiederum waren die Berliner Festspiele Vorreiter der Entwicklung mit ihrer Fähigkeit zu rascher Reaktion: Das Festival wurde explizit zum Ost-West-Forum ausgebaut. Der Erfolg ließ nicht auf sich warten: Die Sowjetunion beteiligte sich an den Filmfestspielen im Sommer und an den Festwochen im Herbst; die Satellitenstaaten folgten alsbald; selbst die DDR als unmittelbarer Nachbar und Konkurrent um Weltgeltung und internationale Beachtung nutzte die Berlinale als Podium ihrer ambitionierten und künstlerisch hoch stehenden (Defa-)Filmproduktion.
In der Überzeugung, daß Kunst nicht ohne inhaltlichen und ästhetischen Bezug zum gesellschaftlichen, historischen und politischen Umfeld geschaffen wird, wurde für die Festspielintendanz die Beschäftigung mit den Überlieferungen und den aktuellen Tendenzen der Künste im Osten besonders aktuell und prägend. Gleichzeitig jedoch setzte mit einer Folge großer umfassender interdisziplinärer kulturhistorischer Ausstellungen (im aus Trümmerschutt wiedergewonnenen Martin-Gropius-Bau) die Befassung mit der gemeinsamen Geschichte ein, um daraus Einsichten für die komplizierte Gegenwart und eine mögliche gemeinsame Zukunft zu gewinnen: Beginn mit der (auch hinsichtlich der Ausstellungsgestaltung richtungsweisenden) Preußen- Ausstellung 1981, die nicht zufällig mit einer Neugewichtung preußischer Historie in der DDR korrespondierte.
Strategie der Annäherung und des Dialogs
In den späten achtziger Jahren verdichteten sich die Anzeichen einer weltpolitisch begründeten Bereitschaft der DDR-Staats- und SED-Parteiführung zum kulturellen Dialog. Auf der West-Berliner Seite stieg korrespondierend das Interesse an den spezifischen Errungenschaften der DDR-Kulturpolitik und den künstlerischen Eigenständigkeiten, insbesondere auf den Gebieten von Film, Theater, Literatur und bildender Kunst sowie deren Ausbildungsstätten und -methoden. Auch die Erinnerungskultur, Inhalte und Methoden geschichtlicher Ausstellungen und die Gestaltung von Gedenkstätten zählten zu den Feldern eines zaghaft beginnenden Austausches. Herausragendes Beispiel und Markierung eines Paradigmenwechsel war die Präsentation der „Topographie des Terrors“ in Ost-Berlin, Brandenburg, Sachsenhausen und Buchenwald im Jahr 1988.
Kulminationspunkte im Prozeß der von der Berliner Festspiele G.m.b.H. aktiv betriebenen Strategie der Annäherung und des verständnisvollen, die Unterschiede respektierenden Dialogs waren die – finanziell opulent ausgestatteten – Veranstaltungsserien und Projektreihen („Werkstatt Berlin“) der Jahre 1987 (Stadtjubiläum „750 Jahre Berlin“ auf beiden Seiten, untereinander heftig konkurrierend) und 1988 („Berlin – Kulturhauptstadt Europas“). Zwar gab es noch keine gemeinsamen Präsentationen, aber in einer Art Idealkonkurrenz ergänzten sich die auf internationale Resonanz ausgerichteten künstlerischen Produktionen. West-Berlin, das bisher aufgrund seiner Insellage ohne Einbeziehung des Umlandes eine Introspektive praktizierte, richtete den Blick auf die alte Mitte, die nun im Osten hinter einer Grenze lag, und ersehnte das verlorene natürliche Hinterland (den „Berliner Ring“). Bildende Künstler beider Seiten übten sich in „Konvergenzen“, besuchten sich, tauschten Gedanken und Ideen aus.
Produktive kulturelle Gegensätze
Insofern waren die Öffnung der innerdeutschen Grenze und die Beseitigung der Berliner Mauer zwar überraschend, aber nicht unvorbereitet – jedenfalls nicht hinsichtlich des kulturellen Austausches. Den weitgehend aus kirchlichem und kulturellem Ambiente entstammenden Bürgerrechtlern in der DDR ging es ja in ihrem Protest zunächst nicht um einen ökonomisch motivierten Anschluß an die Bundesrepublik, sondern um eine selbstbewußte Konföderation auf der Basis einer Vision vom gerechten, freien und solidarischen Staat. Es kam anders – und war auch wohl zu utopisch gedacht. Der Einigungsvertrag, der auch sinnvolle Regelungen zur Erhaltung der kulturellen Institutionen („Leuchttürme“) sowie der Infrastruktur enthielt, vollzog den von der letzten, echt gewählten DDR-Volkskammer beschlossenen „Beitritt“, eine Art der Unterwerfung unter Preisgabe eigener nicht-ökonomischer Werte und Grundsätze.
Nun nach der Vereinigung von zwei Staaten und Gesellschaften ergibt sich eine neue – wiederum politisch verursachte und zu begleitende – Aufgabenstellung für eine Netzwerk-Institution wie die Berliner Festspiele GmbH, aber keineswegs in dem Sinne, zwei unterschiedlich gewachsene Kulturlandschaften einander anzugleichen oder zu verschmelzen. Es gibt sie noch und wird sie noch lange geben: die beiden künstlerischen Handschriften, die aus unterschiedlichen Biographien, Sozialisationen und Mentalitäten resultieren. Kulturelle Gegensätze sind produktiv, sie machen den Reichtum eines Landes aus – ebenso wie die Naturräume (z. B. die Biosphärenreservate). Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gab es zunächst eine gemeinsame Ausgangslage aus Idealen, Hoffnungen und Utopien, aber – und das nicht nur staatlich verordnet oder parteilich reglementiert – es entwickelten sich über Jahrzehnte divergierende, selten konvergierende kulturelle Prozesse, Institutionen und Strukturen. Unvoreingenommen und gerecht sollten sie geprüft und beurteilt, nicht aus dominanter westlicher Perspektive in Bausch und Bogen verurteilt und zum Geschichtsmüll geworfen werden.
Geist gegenseitiger Achtung
Nach dem Ende der wechselseitig zur Reflexion anspornenden Systemkonkurrenz bildet sich allmählich eine neue, stark veränderte Kulturlandschaft heraus, die wenig Rücksicht nimmt auf eingeübte Tugenden der Diskretion und Subversion. Unter dem von der Wirtschaft her alle gesellschaftlichen Bereiche durchdringenden Gesetz des Wettbewerbs wird es kälter werden für sensible Künstlerpersönlichkeiten, die sich nicht den Prinzipien des freien Markts unterwerfen wollen. Und im Pluralismus der Stile und Inhalte wird die Kulturszene diffuser sein. So wurde es zu einer wesentlichen Aufgabe der Berliner Festspiele, im dialektischen Prozeß der ungehinderten Begegnung unterschiedlicher Herangehensweisen Schon- und Freiräume zu ermöglichen, in denen der Geist gegenseitiger Achtung und Zuwendung weht – mit dem erklärten Ziel, Unangepasstes, dem Zeitgeist nicht Entsprechendes aus dem Osten des Landes nicht in eine exotische Ecke abzudrängen, sondern ins helle Licht öffentlicher Aufmerksamkeit durch sorgfältige Vermittlung zu stellen.
Diese Phase des Übergangs ist noch nicht abgeschlossen, nur haben die Bemühungen der Kulturpolitik nachgelassen, das Zusammenwachsen zu gestalten. Andere Aspekte stehen jetzt im Vordergrund: die finanzielle Wertigkeit von Kultur im strapazierten öffentlichen Haushalt und die Repräsentation einer Nation durch ihre Hauptstadt – wiederum eminent politische Fragen, zu denen realistische, rationale und zukunftsfähige Antworten bislang noch ausgeblieben sind. Und derzeit ist auch noch nicht erkennbar, mit welchen Methoden und Instrumenten diese für Berlin existenziellen Antworten in effektiver Weise bearbeitet werden sollten. Eine unverbundene Ansammlung von Einrichtungen und Initiativen, die sich nur mit sich selbst, ihrer materiellen Sicherung und der einträglichen Distribution ihrer Produktionen beschäftigen, ist jedenfalls nicht geeignet, die neuen Herausforderungen zu erkennen und mit neuen kulturellen Modellen Lösungsmöglichkeiten zur breiten öffentlichen Diskussion zu stellen. Die Berliner Festspiele, jetzt Teil der KBB, geht andere Wege und hat sich von früher praktizierten kulturpolitischen Interventionen verabschiedet. Die Lage ist offen.
Ulrich Eckhardt, Typoskript 2001
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