Moritz de Hadeln und die Berlinale

Als ich 1975 kam, amtierte noch der Gründungsdirektor der Inter­nationalen Filfestspiele Berlin, der hochverdiente, erfindungs­reiche, unvergessene Alfred Bauer. Kur schweren Herzens übergab er sein Lebenswerk an Wolf Donner als Exponenten einer jüngeren Generation und anderen Sichtweise auf die Filmkunst. Aber als ich den Nachfolger berief, wurde der Übergang in einvernehmlich organ­ischer und würdiger Form vollzogen. Die Berlinale erneuerte sich ohne Bruch mit ihrer noch jungen Tradition, gleichwohl mit wegweisenden Impulsen. Dieses wohlbestellte Erbe übernahm vor 22 Jahren Moritz de Hadeln – wiederum in Anerkennung und Weiterentwicklung des künstlerisch wie organisatorisch auf festem Fundament stehenden Hauses. Dazu gehörte auch die sinnvolle, höchst effektive Koopera­tion mit dem Internationalen Forum des Jungen Films.

Die Jahre 1980 bis 2001 unter der Leitung eines kosmopolitisch orientierten, international erfahrenen und angesehenen Festival­experten waren eine reiche, glückliche Zeit. Die sorgfältig und liebevoll ausgestaltete Infrastruktur zog immer zahlreicher aus aller Welt Publikum, Fachleute und Medien an. Die Programme in ihrer Fülle und Vielfalt hielten in Atem, forderten höchst lebendige Kontroversen heraus und waren nicht selten vom Glanz großer Per­sönlichkeiten der internationalen Filmszene umkränzt. Die Berlinale ist das Flaggschiff der Berliner Festspiele, nach finanziellem Aufwand und weltumspannendem Medienecho das bedeutend­ste künstlerische Ereignis im Berliner Kulturkalender. Die aben­teuerlichen Herausforderungen an den Festspielleiter machen ihn zum waghalsigen Hochseilartisten. Er muß mutig sein, viel aushalten können. Er braucht List und Lust, ein dickes Fell – und vor allem einen verständnisvollen, großzügigen, kraftvoll stützen­den G.m.b.H.-Geschäftsführer, der trotz seiner Intendantenrolle im Hintergrund bleibt, um das eigenständige Profil der Berlinale zu schaffen. Dieser Dienst war meine Freude in allen 22 Jahren de Hadelns. Gegen Ende unserer gemeinsamen Zeit gelang die Verlagerung und Neupositionierung am Potsdamer Platz, eine entscheiden­de Weichenstellung für die Zukunft, ein Quantensprung in der Ge­schichte des Festivals und der Stadt.

Diese erfolgreiche Konstellation mit einer charakteristischen Filmreihe zu dokumentieren, war meine Anregung, zugleich zu verstehen als Ausdruck wechselseitiger Anerkennung und Dankbarkeit. Gemeinsam scheiden wir beide aus unseren Ämtern, die uns Quellen des Glücks, der Erweiterung unseres kulturellen Wissens und Denkens, der Bereicherung unseres Lebens waren. Die anbrechende neue Zeit unter neuen Flaggen und mit möglichen anderen Perspektiven soll den Internationalen Filmfestspielen Berlin zu weiterer Entfaltung ihrer kulturellen Kräfte gereichen. Jedenfalls übergeben wir eine intakte Institution mit allen Voraussetzungen für anhaltendes oder weiter wachsendes internationales Renommee – als einen wesentlichen Beitrag zur politischen Aufgabe, Berlin zum Podium der Welt für geistigen Austausch zu machen.

Ulrich Eckhardt, 2001